Spanien gehörte nicht zu den typischen Exilländern wie Frankreich und die Niederlande. Es lag für den damaligen Deutschen weitab am Rande Europas. Die Kenntnisse von Sprache, Land und Leuten waren im allgemeinen gering. Beziehungen zwischen deutschen und spanischen Parteien, zwischen den Intellektuellen beider Länder waren nicht sehr intensiv und beschränkten sich auf Ausnahmen. Der Grund lag teilweise in der ungleichzeitigen Entwicklung beider Länder: Spanien wurde erst 1931 Republik, während in Deutschland die Republik im Jahre 1933 beseitigt wurde. Dennoch war die Zahl deutscher Emigranten in Spanien zwischen 1933 und 1936 keineswegs so gering, wie man es angesichts der damals losen Beziehungen zwischen beiden Völkern annehmen möchte.
Diese Tatsache ist bemerkenswert, da gerade die instabilen und konfliktreichen innenpolitischen Verhältnisse sowie Armut und Rückständigkeit das Land als Refugium keineswegs besonders verlockend erscheinen ließen. Die politischen Verfolgungen während des "bienio negro" 1934/35 sowie bürgerkriegsähnliche Zustände in Katalonien und Asturien waren auch für Ausländer mit Einschränkungen und Schwierigkeiten verbunden. Aber ein deutscher Emigrant, der nach Spanien zog, hatte oft andere Motive. Er konnte dort vergleichsweise billig leben und sich mit wenig Geld in einen malerischen, klimatisch angenehmen Ort zurückziehen. Vor allem die Balearen-Inseln Mallorca und Ibiza hatten bald kleine Kolonien von Künstlern, Schriftstellern und Journalisten.
Walter Benjamin lebte 1933 ein halbes Jahr auf Ibiza. Der Publizist und Verleger Harry Graf Kessler hatte von 1933-1935 seinen Wohnsitz in Palma de Mallorca; in seiner Nähe lebten der Übersetzer und Schriftsteller Albert Vigoleis Thelen und der sozialdemokratische Journalist Franz v. Putkammer. Der Lyriker Erich Arendt arbeitete in Pollensa im Norden Mallorcas als Hausknecht und Faktotum in einer wohlhabenden Familie, und im mallorquinischen Fischerdorf Cala Patjada lebten die Schriftsteller Franz Blei und Karl Otten, der pazifistische Journalist Heinz Kraschutzki sowie der Maler Arthur Segal.
Auf dem Festland, in Barcelona, arbeitete der Schriftsteller Frank Amau und gab die spanischen Übersetzungen dreier seiner Bücher heraus. (1)
Eine Geschichte der Emigration läuft leicht Gefahr, nur, "die im Lichte" zu sehen, also bekannte Namen, Personen, die über Geld und Beziehungen verfügten und fähig waren, sich auszudrücken. Wir sind im Falle Spaniens jedoch auch unterrichtet über "die im Dunkeln", einfache Proletarier, die es nach Spanien verschlagen hatte. Für sie hatte Spanien neben materiellen Schwierigkeiten und Sprachproblemen den Vorteil, daß man dort keine Arbeitserlaubnis benötigte und relativ wenigen bürokratischen Schikanen unterlag, sofern man sich nicht politisch betätigte. Überdies gab es dort machtvolle proletarische Organisationen, bei denen manche Emigranten Unterschlupf und teilweise Arbeit fanden. So gab es in Barcelona eine Gruppe von etwa 20-30 deutschen Anarchosyndikalisten, von denen einige in der großen anarchistischen Gewerkschaft CNT Arbeit fanden. Die Ortsgruppe der KPD in Barcelona umfaßte 1935/36 etwa 40-60 Personen.
Aber es sind auch Fälle von Emigranten bekannt, die ohne Hilfe und Beziehungen sich durchschlagen mußten, als Schuhputzer oder Zeitungsverkäufer arbeiteten oder wegen Landstreicherei schließlich im Gefängnis landeten. (2) - Daneben gab es, von den Emigranten streng getrennt, einige tausend Auslandsdeutsche, die in der Regel dem Hitler-Regime mit Sympathie gegenüberstanden, größtenteils in der DAF(Deutsche Arbeitsfront, M.B.), teilweise auch in der AO(Aufbauorganisation, M.B.) der NSDAP organisiert waren.
Die Zahl deutscher Emigranten erhöhte sich im Sommer 1936, als viele von ihnen nach Barcelona zur Teilnahme an der sogenannten Arbeiter-Olympiade zogen. Diese Veranstaltung war als Gegenstück gegen die gleichzeitig in Berlin abgehaltene Olympiade gedacht und wurde von der spanischen und der französischen Regierung sowie der Regionalregierung von Katalonien unterstützt. Nach schwer überprüfbaren Angaben waren 3000-4000 Arbeitersportler und etwa 15.000 Zuschauer aus aller Welt angereist, unter ihnen auch einige hundert Deutsche. Die Arbeiter-Olympiade sollte am 18. Juli 1936 beginnen. Aber sie begann nicht, denn einen Tag vorher brach in Spanisch-Marokko der seit langem erwartete und befürchtete Militärputsch gegen die seit Februar 1936 amtierende Volksfrontregierung aus. Der spanische Bürgerkrieg hatte begonnen.
Was die Generäle unter Führung von Francisco Franco als kurzen Staatsstreich geplant hatten, verlief indessen anders, als sie es sich vorgestellt hatten. Die Nachricht vom Putsch löste in weiten Teilen der Bevölkerung Empörung, Erbitterung und Zorn aus. Revolutionäre Energien, gespeist aus generationenlang, sogar jahrhundertelang verschleppten sozialen Konfliktstoffen, brachen sich Bahn. Unbewaffnete Arbeitermassen stürmten mit Hämmern und Brechstangen Kasernen und Polizeiposten, entwaffneten Soldaten und Polizisten, erschlugen die Offiziere und bildeten mit spontan zusammengestellten Gruppen Arbeitermilizen. Oft wechselten manche Orte innerhalb weniger Tage mehrfach das Lager, je nachdem wer gerade die Straßen beherrschte. Erst nach einer Woche zeichnete sich ab, wo der Putsch gelungen war und wo man ihn zurückgeschlagen hatte. Das Militär blieb siegreich in Altkastillien, Leon, Galicien, Navarra, im westlichen Aragon, auf den Balearen sowie im westlichen Andalusien und eroberte bis zum Herbst 1936 die Landverbindung zwischen diesen Teilen, die Estremadura, hinzu. Die Republik hielt sich in Neukastilien, im östlichen Andalusien und im östlichen Aragon, in Katalonien und Valencia sowie im Norden, in Asturien und im Baskenland. Geländegewinne der Franco-Seite führten die Militärs im Winter 1936/37 bis in die Vororte von Madrid, ließen sie weitere Teile Andalusiens einnehmen und im Sommerhalbjahr 1937 auch Asturien und das Baskenland.
Die spontane Abwehr des Putsches durch die Bevölkerung ging in einigen Gebieten, in denen der Militärcoup niedergeschlagen worden war, bruchlos über in eine soziale Revolution. Latifundien und große Unternehmen wurden besetzt und enteignet, ihre Eigentümer verjagt, Kirchen wurden angezündet und Geistliche eingesperrt. Die staatlichen Organe der Republik existierten zwar noch, hatten aber jede Macht eingebüßt. Sie lag in den Händen revolutionärer Komitees und bei den Milizen, die die Linksparteien und Gewerkschaften aufgestellt und an die Front geschickt hatten. (3)
Die Weltöffentlichkeit und der Putsch Francos
Die Abwehr des Putsches durch das unbewaffnete Volk löste in der Weltöffentlichkeit ungeheures Aufsehen aus. Jahrelang hatte man gesehen, wie eine Demokratie nach der anderen in Europa fiel und einer Diktatur weichen mußte. Unter faschistischer oder autoritärer Herrschaft standen Italien, Ungarn, Polen, Portugal, Jugoslawien, Rumänien, Griechenland, Deutschland und Österreich; Umtriebe antidemokratischer Gruppen bedrohten sämtliche übrigen Länder Europas. In Spanien aber hatten Arbeiter, Handwerker und Bauern mit bloßen Händen oder mit Stangen und Steinen den Angriff eines Berufsheeres in weiten Teilen des Landes zurückgeschlagen. Erstmals schien das Pendel wieder in die andere Richtung zu schlagen.
An den Straßenkämpfen in Barcelona beteiligten sich auch viele der zugereisten Ausländer und reihten sich ein in die Milizen, die von Anarchisten, Sozialisten, Kommunisten, Linksrepublikanern und anderen antifaschistischen Gruppen recht spontan aufgestellt wurden. Tausende von Freiwilligen strömten aus dem Ausland nach Spanien, um in den Milizen oder anderen Einheiten zu kämpfen. Da die Armee sich größtenteils auf die Seite Francos gestellt hatte, retteten die Milizen zunächst die Republik. Unter ihnen stellten Ausländer beachtliche Kontingente: italienische Anarchisten, französische und belgische Sozialisten, britische Antifaschisten und Kommunisten aus vielen Ländern. (4) In diesen Milizen gab es auch deutsche Einheiten. Innerhalb der anarchistischen Columna (Division) "Durruti" stellten die deutschen die drittstärkste Ausländergruppe (nach Franzosen und Italienern) und bildeten eine eigene Einheit: die Centuria "Erich Mühsam". Etwa 70 Angehörige lassen sich noch namentlich feststellen. Ihre Gesamtzahl dürfte irgendwo zwischen 100 und 200 gelegen haben.
In der von der kleinen Linkspartei POUM aufgestellten "Lenin-Division" gab es das Bataillon "Josep Rovira", das von dem Deutschen Hans Reiter befehligt wurde und dessen etwa 450 Angehörige nach Angaben George Orwells zu 2/3 aus Deutschen bestanden. (5) Im August 1936 wurde die formell überparteiliche, de facto aber kommunistisch geführte "Centuria Thälmann" gegründet, der zeitweilig rund 180 überwiegend deutsche Freiwillige angehörten. Daneben gab es noch mehrere kleine deutsche Gruppen, die gewöhnlich im Verband spanischer Milizen an der Aragon-Front kämpften. Eine kleine deutsche Gruppe sei hier noch genannt, die sich "Gruppe Thälmann" nannte und innerhalb der Milizen der baskischen Nationalisten im Norden kämpfte. Sie hatte 20-30 Angehörige und wurde von dem Sozialdemokraten Arthur Pfeiffer befehligt. Nachdem Franco-Truppen im Spätsommer 1936 Irun besetzt und damit die Verbindung zwischen dem Baskenland und Frankreich unterbrochen hatten, schlug sich diese Gruppe über Frankreich nach Katalonien durch und schloß sich anderen Freiwilligenverbänden an. (6)
Der Militärputsch in Spanien wurde innerhalb der deutschen Emigration besonders aufmerksam beachtet, umso mehr als man dahinter die Urheberschaft Hitlers und Mussolinis vermutete. Obgleich Franco sicher keine Marionette der beiden Diktatoren war, bestätigten jedoch bald deutsche und italienische Waffenlieferungen an die Aufständischen und die Entsendung von Mannschaften das Ausmaß der fremden Einmischung. Für Deutsche und für Italiener war daher die Beteiligung am Kampf gegen Franco zugleich ein Stellvertreterkrieg gegen Hitler bzw. Mussolini. In einem Aufruf des Exil-Vorstandes der SPD hieß es daher: "Hitler und Mussolini können vor Madrid geschlagen werden". In einem von Sozialdemokraten, Kommunisten und parteilosen Schriftstellern unterzeichneten Flugblatt hieß es: "Die Niederlage Francos wird der Anfang vom Ende Hitlers sein". Die KPD rief Anfang August 1936 Deutsche dazu auf, sich freiwillig in den Dienst der Republik zu stellen, und entsandte Funktionäre - unter ihnen Hans Beimler - nach Barcelona, die den Aufbau der "Centuria Thälmann" organisierten.
Vor allem aber ist innerhalb der deutschen Emigration das Engagement der Exil-Presse und vor allem der deutschen Schriftsteller zu nennen. Der Aufruf Heinrich Manns zur Solidarität mit Spanien vom 7.August 1936 sowie das in englicher Sprache verbreitete Bekenntnis seines Bruders Thomas Mann "Stand with the Spanish People" sei hier stellvertretend für viele andere genannt.
So wie Tausende anderer Ausländer strömten auch zahlreiche Deutsche nach Spanien, um am Kampf gegen Franco teilzunehmen oder um engagierte Augenzeugen der sozialen Revolution zu sein, die dort ausgebrochen war. Ab Oktober 1936 setzte der Zulauf zu den gerade gegründeten Internationalen Brigaden ein.
Unabhängig von ihrer Orientierung kann man die deutschen Emigranten in Spanien und während des Bürgerkriegs in etwa vier Kategorien einteilen, wobei die Grenzen naturgemäß fließend sind und eine Person nacheinander zweien dieser Kategorien zugeordnet werden kann. Zunächst gingen sehr viele deutsche Emigranten nach Spanien, um Augenzeugen der ausgebrochenen Revolution zu werden. Vielfach waren es Intellektuelle, Journalisten, Berichterstatter von Exil-Zeitschriften, Partei-Ideologen usw. Sie gelangten gewöhnlich nur bis Barcelona und unternahmen von dort kurze Besichtigungsreisen an die Aragon-Front oder nach Valencia, um dann meistens noch im Herbst 1936 nach Frankreich zurückzukehren.
Die zweite Gruppe bestand aus Personen, die sich als Funktionäre, Übersetzer, Propagandisten usw. den spanischen Parteien, Gewerkschaften und staatlichen Instanzen zur Verfügung stellten. Ihr geographischer Schwerpunkt lag meistens gleichfalls in Barcelona. So unterhielt die KPD in Madrid, Albacete, Valencia und Barcelona Verbindungsstellen, die von Franz Dahlem und Karl Mewis geleitet wurden. So arbeiteten Mitglieder der Gruppe "Deutsche Anarchosyndikalisten" (DAS) in den Dienststellen der anarchistischen Gewerkschaft CNT. Und Angehörige der kleinen deutschen Splitterparteien SAP und KPO wirkten im internationalen Büro des POUM, - einer von ihnen war zeitweilig Willy Brandt. Die deutsche Sozialdemokratie war offiziell nicht in Spanien vertreten, wohl aber gingen etliche SPD-Mitglieder als Privatpersonen nach Spanien und boten der spanischen Schwesterpartei oder staatlichen Stellen ihre Hilfe an. (7)
Die dritte Gruppe bestand aus Angehörigen der bereits genannten Milizen. Ihr Einsatzgebiet lag in Aragon.
Die vierte Gruppe bildeten Angehörige der Internationalen Brigaden. Während die ersten drei Gruppen zusammengenommen nur einige hundert Personen umfaßten, betrug die Zahl der Deutschen in den Interbrigaden etwa 5000. Ich werde auf sie daher noch im einzelnen eingehen.
Um das Wirken der deutschen Antifaschisten zu verstehen, muß man etwas näher die spanische Innenpolitik betrachten, vor deren Hintergrund ihre politischen Aktivitäten zu sehen sind. Es gab im republikanischen Lager zwei entgegengesetzte Richtungen: eine pragmatisch-bürgerliche und eine revolutionäre. Zu der ersten gehörten die Linksbürgerlichen Parteien, baskische und katalanische Nationalisten sowie der rechte Flügel der Sozialisten. Er wollte den Franco-Putsch niederschlagen und danach die Republik im Rahmen eines parlamentarisch regierten föderalistisch aufgebauten bürgerlichen Mehrparteienstaates reformieren.
Zu den revolutionären Kräften gehörten die Anarchisten, die kleine Linkspartei POUM und der linke Flügel der in sich tief gespaltenen Sozialisten. Die Anarchisten propagierten die Revolution und den sofortigen Aufbau eines libertären, d.h. von unten nach oben aufgebauten repressionsfreien Sozialismus, von dem sie in kleinen ländlichen Gemeinden sowie in einigen Industriebranchen einige Elemente auch zu verwirklichen suchten. Die POUM-Anhänger, die sich selbst als Kommunisten verstanden, propagierten die Revolution nach dem Vorbild der Oktoberrevolution. Und die Linkssozialisten wollten durch die Revolution zumindest die Basis der Gegenseite zerschlagen, also Großgrundbesitz, Kirche, Großkapital und Polizei.
Obwohl diese - unter sich durchaus zerstrittenen - revolutionären Kräfte zunächst die Oberhand hatten, begünstigten die Umstände des Bürgerkriegs die pragmatisch-bürgerlichen Parteien. Noch im Herbst des Jahres 1936 wurden die revolutionären Komitees durch wieder funktionsfähige Staatsorgane abgelöst. Die Republik begann mit dem Aufbau eines eigenen Heeres, das anstelle der partei- und gewerkschaftseigenen Milizen den Kampf gegen die Franco-Heere übernehmen sollte. Nach und nach wurden immer mehr revolutionäre Einrichtungen wieder aufgelöst, Enteignungen rückgängig gemacht und der bürgerliche Staat restauriert.
Die Politik der KP
Bislang wurde ein Partei ausgelassen, die im Bürgerkrieg eine wachsende Bedeutung erlangen sollte: die Kommunisten. Ihrem eigenen Selbstverständis nach Avantgarde des Proletariats und der Revolution, bezog diese vor dem Bürgerkrieg ziemlich bedeutungslose Partei einen Stadort auf dem gemäßigten Lager der Republik. Sie trat für die Volksfront ein, d.h. für ein Bündnis mit bürgerlich-republikanischen Parteien und gegen revolutionäre Experimente, für ein reguläres Heer mit Berufsoffizieren und gegen das Milizensystem, für den Schutz des Privateigentums an Produktionsmitteln und gegen die Sozialisierung der Anarchisten. Diese Politik verprellte zwar manche Revolutionäre, brachte der KP aber kräftigen Zulauf aus dem Kleinbürgertum, das bei ihr Schutz suchte vor den Enteignungen durch die Anarchisten. Innerhalb eines Jahres konnte die KP ihre Mitgliederzahl verzehnfachen.
Die Politik der KP ist vor folgenden Hintergründen zu sehen. Zunächst suchte Stalin damals die Annäherung an die Westmächte, wozu sich die der Komintern angeschlossenen Parteien politische Mäßigung auferlegen mußten. Zweitens war die kommunistische Politik damals die realistischere, denn eine Revolution innerhalb der Republik hätte diese in zwei Lager gespalten oder aber die bürgerlichen Parteien auf die Seite Francos getrieben. Zudem sind die Umstände eines Bürgerkriegs nicht gerade günstig für neue Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle. Überdies erlegte die außenpolitische Lage der Republik Rücksichten auf die Westmächte auf. Ein wichtiger Grund war aber der, daß die Kommunisten keine Revolution gutheißen konnten, die nicht von ihnen geführt wurde und die an ihnen vorbei ausgebrochen war.
Die inneren Konflikte der Republik gipfelten in der Blutwoche von Barcelona Anfang Mai 1937, die durch Schießereien zwischen POUM und Anarchisten einerseits und kommunistisch geführten Polizeitruppen andererseits über 500 Tote forderte. Diese Ereignisse führten zu einer schweren Regierungskrise, in deren Verlauf die Linkssozialisten ausgeschaltet, der POUM als angeblicher Urheber der Unruhen verboten und die Anarchisten nach und nach entmachtet wurden. Die Regie hierbei führten Kommunisten, die von Anfang an unauffällig, aber zielstrebig wichtige Schlüsselpositionen in Polizei und Staatsapparat angestrebt hatten. Der Druck, den die Sowjetunion als einziger Waffenlieferant auf die Republik ausüben konnte, unterstützte die Personalpolitik. (9)
Für die in Spanien sich aufhaltenden Ausländer hatte diese Entwicklung weitreichende Konsequenzen. In einer Nacht- und Nebelaktion am 16. und 17. Juni 1937 wurden sämtliche Ausländer, die den Anarchisten oder dem POUM nahestanden, verhaftet, in der Regel nach mehreren Monaten ausgewiesen, teilweise erst gegen Ende des Bürgerkrieges freigelassen. Einige tauchten nie wieder auf. Ähnlich erging es den ausländischen Angehörigen der Milizen. Diese wurden aufgelöst bzw. dem republikanischen Heer einverleibt und ihre ausländischen Mitkämpfer in der Regel ebenfalls verhaftet. Damit verloren aber auch die deutschen Parteien SAP und KPO, die mit dem POUM liiert gewesen waren, sowie die deutschen Anarchosyndikalisten ihre Büros und ihre Zeitungen. Sozialdemokraten wurden mit Rücksicht auf die Volksfront im allgemeinen geschont aber auch unter ihnen gab es gelegentliche Verhaftungen. So blieben in Presse, in Partei- und Staatsapparaten fast nur kommunistische Ausländer übrig und die Angehörigen der Internationalen Brigaden.
Die Internationalen Brigaden
Damit komme ich zu den Freiwilligenverbänden, die gewöhnlich als der spektakulärste Beitrag zur internationalen Solidarität angesehen werden. Die Idee, durch Freiwillige aus vielen Ländern den Franco-Putsch niederschlagen zu helfen, ist keine kommunistische, wie man an den Milizen der Anarchisten und des POUM sehen konnte. Aber um ihren Anspruch, Avantgarde des internationalen Proletariats zu sein, aufrechterhalten zu können, konnten die Kommunisten nicht zurückstehen. Der Aufruf der KPD zum freiwilligen Einsatz in Spanien vom Anfang August 1936 zeugt davon. Dennoch hielten sich die Sowjetunion und die Komintern zunächst zurück, um die Entwicklung in Spanien abzuwarten. Erst Ende September 1936 wurden Anstalten für ein größeres Engagement der Sowjetunion und der Komintern getroffen. Im Oktober wurden formell die Internationalen Brigaden gegründet und in größter Eile aufgestellt. Gleichzeitig begannen die kommunistischen Parteien aller Länder oder von ihnen gesteuerte Organisationen, z.B. Spanienhilfskomitees, mit einer massiven Propaganda für den Beitritt zu den Interbrigaden. Tatsächlich setzte ein solcher Zustrom ein, daß innerhalb von etwa acht Monaten fünf aus Ausländern bestehende Brigaden aufgestellt werden konnten. Es wäre indessen naiv zu glauben, daß allein die Solidarität diesen großen Zustrom bewirkt hätte. Das Heer der Arbeitslosen in vielen Ländern Europas einerseits und die Anwesenheit zahlreicher Emigranten aus Italien, Deutschland, Österreich, Polen und anderen Diktaturen andererseits bildeten in den Jahren 1936 und 1937 einen fruchtbaren Boden für Werbeaktionen. (10)
Zahlenangaben sind für die Internationalen Brigaden außerordentlich schwierig und unterliegen starken ideologischen Interpretationen. Auf der rechten Seite neigt man dazu, sie zu überhöhen (Bolín: 102.000), auf kommunistischer Seite, sie herunterzuspielen (15.000). Die Schwierigkeiten bestehen darin, daß die Internationalen Brigaden eine starke Fluktuation erlebten, so daß die maximale Ist-Stärke erheblich unterhalb der Gesamtzahl aller ehemaligen Interbrigadisten lag. Dazu kommt, daß kriegsbedingte Lücken in den Brigaden wegen des nachlassenden Zustromes von Freiwilligen immer stärker durch Spanier aufgefüllt wurden. Schließlich liegen amtliche spanische Statistiken erst für das Jahr 1938 vor, als die Interbrigaden zahlenmäßig ihren Höhepunkt bereits überschritten hatten. Nach meinen Berechnungen dürfte die maximale Ist-Stärke im Jahre 1937 zwischen 40.000 und 50.000 Mann betragen haben.
Etwas sicherer sind unsere Kenntnisse über die nationale, soziale und politische Zusammensetzung der Interbrigaden. Die größte Gruppe stellen Franzosen (etwas über 10.000). Ungefähr gleich stark waren Italiener, Polen und Deutsche zu je 5000, es folgten Belgier und Österreicher zu je etwa 3000 Mann. Der Rest verteilt sich auf 40 weitere Nationen, überwiegend Europäer. Mit geringen Abweichungen innerhalb der einzelnen Nationen waren etwa 80% der Interbrigadisten Arbeiter. 60-70% waren Kommunisten, der Rest verteilte sich auf Sozialdemokraten, Anarchosyndikalisten, Angehörige linkssozialistischer Gruppen, Katholiken und Parteilose.
Die Organisationsform der Internationalen Brigaden wechselte recht häufig. Insgesamt gab es fünf Brigaden mit den Nummern XI bis XV, die nach sprachlichen und nationalen Gesichtspunkten gegliedert waren:
XI Brigade (Deutsche, Österreicher, Schweizer, Niederländer, Skandinavier)
XII Brigade (Italiener, San Malinesen, Portugiesen)
XIII Brigade (Polen, Tschechoslowakei Jugoslawen, Bulgaren)
XIV Brigade (Franzosen, Belgier, West-Schweizer)
XV Brigade (Briten, Iren, Kanadier, US- und Lateinamerikaner)
Neben diesen "klassischen" Brigaden gab es noch vier sog. "brigadas mixtas", gebildet aus Ausländem und Spaniern. Darüber hinaus gab es besondere Verbände: Partisaneneinheiten, Pioniereinheiten und Sanitätsdienste, dazu Verwaltungs-, Presse-, Propaganda- und Polizeistellen.
Eine nicht bestimmbare, aber wohl beträchtliche Zahl von ausländischen Freiwilligen kämpfte im regulären Heer der Spanischen Republik. Die Deutschen konzentrierten sich auf die XI. Brigade, obwohl es einzelne deutsche Gruppen oder sogar Einheiten in anderen Verbänden gab. Keine Brigade, kein Bataillon war vollkommen homogen. Die XI. Brigade gliederte sich nach dem Stand des Sommers 1937 in die vier Bataillone "Thälmann", "Edgar André", "Hans Beimler" und "12. Februar". Im "Beimler"-Bataillon kämpften überwiegend Skandinavier, im Bataillon "12. Februar" meistens Österreicher. Die Angaben zur sozialen und politischen Statistik der Interbrigadisten gelten im allgemeinen auch für die Deutschen. Man muß ergänzend hinzufügen, daß etwa zwei Drittel der Deutschen Emigranten waren, aber immerhin ein Drittel direkt aus Deutschland nach Spanien gefahren war - auf manchmal recht gefährlichen Wegen.
Auch bei den Deutschen stellten Kommunisten die Mehrheit unter den Freiwilligen. Wohl gab es in den Mannschaften und auch im Offizierskorps einige Sozialdemokraten, aber ihre Zahl blieb gering. (11) Die Ursache dafür lag einmal in der kommunistischen Personalpolitik, aber auch am Desinteresse der SPD. Sie nahm zwar Stellung zu den spanischen Ereignissen, tat darüber hinaus aber wenig. Anders als die italienischen Sozialisten, deren Vertreter Pietro Nenni Kommissar der Internationalen Brigaden wurde, forderte die SPD ihre Mitglieder nicht zum freiwilligen Einsatz in Spanien auf, noch war sie in Spanien durch einen ständigen Delegierten vertreten. Daß dennoch sich etliche Sozialdemokraten als Offiziere und Soldaten, als Journalisten oder Fachleute für besondere Aufgaben der Republik zur Verfügung stellten, beruhte auf privater Initiative. (12)
Besonders erwähnt werden muß der Einsatz deutscher Schriftsteller im Spanienkrieg. Sowie André Malraux, George Orwell, Ilja Ehrenburg, Ernest Hemingway und andere Schriftsteller aus aller Welt sich als Soldaten oder Berichterstatter in und für Spanien engagierten, so zogen auch deutsche bzw. deutschsprachige Schriftsteller nach Spanien: Arthur Koestler und Egon Erwin Kisch als Journalisten, Ludwig Renn, Gustav Regler, Hans Marchwitza, Willi Bredel, Bodo Uhse, Erich Arendt, Erich Weinert und andere Offiziere, Kommissare oder Soldaten der Internationalen Brigaden. Diese Schriftsteller, die damals ebenso wie Alfred Kantorowicz oder der Sänger Ernst Busch der KPD angehörten, haben durch autobiographische Schriften, durch Gedichte, Lieder und Kunstformen dem Einsatz deutscher Antifaschisten ein Denkmal gesetzt. (13) Ein Schriftsteller, der gleichfalls in Spanien gewesen war, seine dortigen Aktivitäten aber zu verschweigen und zu vertuschen sucht, ist Stephan Hermlin.
Die Kämpfe der deutschen Interbrigadisten können hier nur grob umrissen werden. Vom November 1936 bis Januar 1937 wurden sie bei der erfolgreichen Verteidigung Madrids eingesetzt. Nach schweren Verlusten folgte eine kurze Erholungspause in Südspanien. Danach folgten weitere Einsätze in Zentralspanien. Ab Sommer 1937 kämpften sie größtenteils in Aragon. Anders als ein Teil der Literatur darstellt, waren die Interbrigadisten keine Legendengestalten, sondern ganz gewöhnliche Menschen. Schwere und zermürbende Dauereinsätze mit Verlusten von 17% Toten, 13% Invaliden und 50% Leichtverwundeten führten zu Fällen von Gehorsamsverweigerung, Selbstverstümmelung, Meuterei und Fahnenflucht und zu entsprechenden kriegsgerichtlichen Konsequenzen. Während der ganzen Zeit ihres Bestehens hatten die Interbrigaden Disziplinschwierigkeiten. Alles dieses schmälert aber nicht den selbstlosen und verlustreichen Kampf gegen eine Diktatur, die sie für einen Ableger der Regime in Berlin und Rom hielten.
Ende des Krieges
Im Herbst 1938 wurden die Interbrigaden in katalanischen Demobilisierungslagern zusammengezogen und durch Vermittlung des Völkerbundes in ihre Heimatländer zurückgeschickt. Frankreich ließ aber nur solche Personen über die Grenze, die legal zurückkehren konnten. Deutsche, Österreicher und Italiener hatten aber keine Heimat, in die sie gefahrlos zurückkehren konnten. Daher blieben etwa 2000 Angehörige dieser Nationen zurück und wurden, als Franco im Januar 1939 zur Eroberung Kataloniens ansetzte, in verlustreichen Rückzugsgefechten nochmals eingesetzt. Ende Januar 1939 trat dann dieser Rest über die Pyrenäengrenze, gelangte damit aber nicht in die Freiheit sondern wurde von französischer Gendarmerie verhaftet und in den südfranzösischen Internierungslagern Argeles sur Mer und St. Cyprien, später in Le Vemet und Gurs interniert. Einige wurden nach und nach entlassen, die Mehrheit aber verbrachte die nächsten anderthalb Jahre hinter Stacheldraht und wurde im Sommer 1940 vom Vichy-Regime der Gestapo übergeben. (14)
Sofern nicht noch besonders zusätzliches Belastungsmaterial vorlag, verurteilte der Volksgerichtshof die Spanienkämpfer wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu zwei bis drei Jahren Zuchthaus und zur anschließenden Einweisung in ein KZ. Kleinere Gruppen van Spanienkämpfern, die sich der französischen Internierung oder Auslieferung an die Gestapo hatten entziehen können, schlossen sich der Résistance an. Nach meiner Einschätzung dürften nur wenig mehr als 1000 deutsche Spanienkämpfer den Zweiten Weltkrieg überlebt haben. (15)
In der DDR wurden die ehemaligen Spanienkämpfer groß gefeiert und ausgezeichnet. Persönlichkeiten wie Wilhelm Zaisser, Franz Dahlem, Heinrich Rau, Gustav Szinda, der frühere Verteidigungsminister Heinz Hoffmann bekleideten hohe Ämter in Staat, Partei und Armee, ebenso der noch amtierende Staatssicherheitsminister Erich Mielke. Es gab in der DDR nicht - wie in der Tschechoslowakei und Ungarn - stalinistische Säuberungen und Terrorprozesse gegen ehemalige Spanienkämpfer, von denen etliche am Galgen endeten. Die DDR pflegt das Erbe der Spanienkämpfer, freilich mit den charakteristischen Einseitigkeiten, durch die sich kommunistische Historiographie auszeichnet. Die Rolle der Kommunisten wird im Stil einer Heiligenlegende geschildert, die Rolle politisch unliebsamer Gruppen oder Einzelpersonen totgeschwiegen. Verleumdungen von Gegnern, beispielsweise wirklichen oder vermeintlichen Trotzkisten, sind bis heute nicht korrigiert worden, was beispielsweise in der Literatur der spanischen Kommunisten längst geschehen ist.
In der Bundesrepublik hatten die Spanienkämpfer einen schweren Stand. Ihr Kampf wurde, anders als der Einsatz der Legion Condor, nicht gewürdigt. Der Kalte Krieg und das gute Verhältnis zwischen Adenauer und Franco waren nicht dazu angetan, das Bild von den "bolschewistischen Söldnern" und "Rotspanienkämpfern" zu korrigieren. Unter politischen, kulturellen oder anderen Führungsgruppen findet man nur wenige Namen ehemaliger Spanienkämpfer oder solcher Personen, die zeitweilig in Spanien gewirkt hatten: Willy Brandt, Peter Blachstein, Max Diamant, Rolf Reventlow und einige andere. Erst unter der Regierung Brandts wurde die skandalöse Ungerechtigkeit in der Behandlung der Spanienkämpfer etwa bei der Berechnung der Höhe ihrer Altersversorgung korrigiert, und beschämende Zeichen politischer Instinktlosigkeit bewiesen deutsche Behörden und Gerichte noch in den letzten Jahren. Es wird Zeit, hier ein verzerrtes Geschichtsbild zu korrigieren und den Spanienkämpfern den Platz in der Geschichte zuzuweisen, der ihnen im Rahmen der deutschen Emigration und des deutschen Widerstandes gebührt.
Fußnoten:
1.) Silvia Sehlenstedt: Exil und antifaschistischer Kampf in Spanien. In: Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil 1933-1945, Bd. 6: Exil in den Niederlanden und in Spanien, Frankfurt am Main 1981, S.197f.
2.) Patrik von zur Mühlen: Spanien war ihre Hoffnung. Die deutsche Linke im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939, Bonn 1983, S.34f.
3.) Pierre Broue/Emile Timime: Revolution und Krieg in Spanien. Geschichte des spanischen Bürgerkrieges, Erster Teil, Frankfurt am Main 1978, S.143-179.
4.) Andreu Castells: Las Brigadas Intemacionales de la guerra de Espana, Barcelona 1974
5.) Mühlen: Spanien war ihre Hoffnung, S.61-66, 89-95.
6.) Ebd., S.208.
7.) Ebd., S.110-115. 52
8.) Rainer Huhle: Die Geschichtsvollzieher. Theorie und Politik der Kommunistischen Partei Spaniens 1936 bis 1939, Gießen, S.83-95,182-190.
9.) Broue/Temime: Revolution und Krieg, S.284-288, 335-339,383-386.
10.) Ricardo de la Cierva y de Hoces: Leyenda y tragedia de las brigadas internacionales: una aproximación histórica a la guerra civil desde las avanzadas del Ejército Püpular, Madrid 1973, S.31f.- José Manuel Martínez Bande: Las Brigadas Internacionales, Barcelona 1972, S.11. - Castells: Las Brigadas Internacionales, S.33.
11.) Mühlen: Spanien war ihre Hoffnung, S.232.
12.) Ebd, S.110-114.
13.) Frederick R. Beson: Schriftsteller in Waffen. Die Literatur und der spanische Bürgerkrieg, Freiburg/Br. - Zürich 1969. - Erich Weinert Die Fahne der Solidarität. Deutsche Schriftsteller in der spanischen Freiheitsarmee 1936-1939, Berlin 1953.
14.) Mühlen: Spanien war ihre Hoffnung, S.247-250.
15.) Ebd., S.266.
Aus: Thomas Kleinspehn / Gottfried Mergner (Hg.): Mythen des Spanischen Bürgerkriegs. Trotzdem-Verlag, 1996. Digitalisiert von www.anarchismus.at mit freundlicher Genehmigung des Trotzdem-Verlags.
Zwei literarische Bearbeitungen der hier besprochenen Ereignisse finden sich in:
1, Bertolt Brecht: Die Gewehre der Frau Carrar und
2. Hans-Magnus Enzensberger: Der kurze Sommer der Anarchie
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